Zeitschrift der Gesellschaft für Musiktheorie (Dec 2019)
Semidissonanzen. Ein Beitrag zur Didaktik der Harmonielehre
Abstract
Der Beitrag bietet Anregungen für eine Didaktik zur Einführung in die Organisation tonaler Mehrstimmigkeit, bei der das Umkehrungsprinzip nicht von Anbeginn als Postulat gesetzt, sondern im Lauf eines Kontrapunktlehrgangs begreiflich gemacht wird als eine Antwort auf theoretische und praktische Probleme, auf die Musiker spätestens im 18. Jahrhundert gestoßen sind. Hervorgehoben wird hier die Auseinandersetzung mit einer besonderen Art der Dissonanzbehandlung, die dazu führte, dass bestimmte dissonante Klänge als unmittelbare harmonische Entitäten herausgehoben wurden, u. a. als ›Dominantseptakkord‹. Andererseits wird hingewiesen auf Unterschiede in der Bedeutung von Tönen innerhalb von Klängen, die durch das Umkehrungsprinzip aus dem Blickfeld zu geraten drohen. Der Ansatz verfolgt somit das Ziel, Schüler*innen und Studierende erkennen zu lassen, dass das Umkehrungsdenken ältere Vorstellungen überlagert, aber nicht ausgelöscht hat, und dass sie beide Sichtweisen je nach satztechnischer und analytischer Fragestellung gleichermaßen einnehmen können. This article offers suggestions for a teaching method that introduces students to the organization of tonal music without positing the inversion principle right from the start. Instead, this principle is introduced as an answer to theoretical and practical problems that preoccupied musicians by the early eighteenth century at the latest. One of these problems included the explanation of a particular kind of dissonance treatment. One solution was to single out certain dissonant sounds as immediate harmonic entities, for example the “dominant seventh chord.” Attention is drawn to differences in the meaning of tones within chords that tend to be obscured by the inversion principle. The pedagogical goals of this method are: (1) to allow students to realize that harmonic thinking based on the inversion principle has superimposed on, but not wiped out, older concepts; and (2) to enable students to adopt both perspectives, depending on the compositional and analytical questions on hand.
Keywords