GMS Zeitschrift für Medizinische Ausbildung (Feb 2012)
Psychische Belastungen durch die Dissektion am Leichnam im anatomischen Präparierkurs bei Erstsemestern des Studienfachs Medizin [Psychological Stress In First Year Medical Students In Response To The Dissection Of A Human Corpse]
Abstract
[english] Objectives: Gross anatomy is one of the most important and time consuming subjects in the first preclinical part of medical school in Germany. In October 2007 186 students started the dissection course at Otto-von-Guericke-University Magdeburg. The objective of this study is to analyze the emotional aspect relating to the gross anatomy course. In order to address this issue, we investigated how medical students experience the first confrontation and the following exposure to the dead bodies and whether there are any differences between various groups (age, gender, experience) of students.Methods: The study was carried out with a group of 155 first year medical students (112 female, 43 male, 21.4±2.9 years). Self-composed questionnaires were used to distinguish between concerns related to dissection and individual experiences and anxiety because of deceasing or death. In order to detect the changes of attitudes towards the dissection course, one questionnaire was answered by participants in the beginning of the course and one in the end (n=94, 66 female, 28 male). Additionally, personality traits of the students were analyzed using two scales of the “Freiburger Persönlichkeitsinventar (FPI-R)”. Results: The self-composed questionnaires showed high reliability. For some students dissection was emotional stress; about 50% became anxious when coping the first confrontation, however, only 12% to large extent. Concerning the anxiety of dissection of individual body parts it was less for limbs, internal organs and skin and increased for head and genitals. Although hypothesized before, the correlation between age, extraversion, emotionality and the extent of anxiety were small. Almost 90% of the students approve the early beginning of the gross anatomy course. The follow-up study showed a marked decline of anxiety.Conclusion: Our results show that about 50% of the students started the course with emotional stress and about one-tenth of them were very worried about the confrontation with corpses. Furthermore, personality tests were shown to be only partly reliable for selecting affected people in advance. With regard to these results capabilities to provide support to the first year medical students should be discussed.[german] Ziel der Studie: Das Fachgebiet der Anatomie ist eines der wichtigsten und lernintensivsten Fächer im vorklinischen Studienabschnitt eines Medizinstudierenden. An der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg stellten sich im Oktober 2007 186 Studierende, davon 126 weiblich und 60 männlich, der Begegnung mit der anatomischen Dissektion von Verstorbenen. Das Ziel dieser Studie ist es, herauszufinden welche Rolle der emotionale Aspekt im Bezug auf diesen Kurs spielt. Es wurde untersucht, wie die Studierenden die erste Konfrontation und den weiteren Umgang mit den Präparaten von Verstorbenen subjektiv wahrnehmen und verarbeiten und inwieweit diesbezügliche Unterschiede zwischen verschiedenen Gruppen (Alter, Geschlecht, Vorerfahrung) aufzufinden sind.Methoden: Die Studie wurde an 155 Erstsemestern durchgeführt (112 w, 43 m; 21,4±2,9 J.). Es wurden selbstkonstruierte Fragebögen benutzt, die schwerpunktmäßig Befürchtungen hinsichtlich des anatomischen Präparierkurses erfragen und mit Erfahrungen hinsichtlich des Sterbens und eigenen Ängsten vor dem Tod verglichen. Es wurde je ein Fragebogen zu Beginn des ersten Semesters und nach dem ersten Semester ausgehändigt (n=94, 66 w, 28 m), um Entwicklungen und Veränderungen erkennen zu können. Zur Erfassung der Persönlichkeitseigenschaften wurde außerdem zwei Skalen aus dem Freiburger Persönlichkeitsinventar (FPI-R) vorgelegt. Ergebnisse: Der selbstentwickelte Fragebogen zeigte hohe Reliabilität. Der Präparierkurs stellte für einige Studierende eine subjektive psychische Belastung dar; rund 50% hatten sich Sorgen gemacht, wie sie die erste Begegnung vertragen, allerdings nur 12% in einem wirklich schweren Ausmaß. Die Korrelationen zwischen Alter, Extraversion, Emotionalität und dem Ausmaß der Befürchtungen waren entgegen bestehender Hypothesen nur gering. Annähernd 90% der Studierenden fanden es dennoch sinnvoll, schon im ersten Semester mit dem Präparieren zu beginnen. Die Verlaufsuntersuchung zwischen erster und zweiter Befragung zeigte einen deutlichen Rückgang dieser Befürchtungen.Schlussfolgerung: Die Ergebnisse zeigten, dass rund 50% der Studierenden mit Befürchtungen an diesen Kurs herangegangen sind, hiervon haben sich rund ein Zehntel der Studierenden im Vorfeld zum Präparierkurs erhebliche Sorgen über die Begegnung mit den Leichen gemacht. Persönlichkeitstests eignen sich nur eingeschränkt, um die Betroffenen im Vorfeld herauszufiltern. Im Hinblick dieser Ergebnisse sollte über Möglichkeiten diskutiert werden, wie man die Erstsemester sinnvoll und unterstützend auf den Kurs vorbereiten kann.
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