Conflict & Communication Online (Apr 2002)
Die Konstruktion nationaler Identität in der österreichischen Presse seit ´45
Abstract
Die in der vorliegenden Arbeit dargestellten Untersuchungsergebnisse sind Teil eines internationalen Forschungsprojektes, welches die Konstruktion nationaler Identitäten durch die Medien im Europa der Nachkriegszeit (1945-1996) untersucht. Mittels eines einheitlichen Untersuchungsdesigns wird die Mainstream-Presse in Österreich, Deutschland und der Schweiz sowie in Finnland und Estland inhaltsanalytisch ausgewertet. Die hier referierten Befunde beruhen auf der österreichischen, der deutschen und der schweizerischen Teilstudie, auf einer vergleichenden Analyse österreichischer, deutscher und schweizerischer Printmedien sowie auf einer Sekundäranalyse des in diesen Studien erhobenen Datenmaterials und auf einer vergleichenden Analyse xenophober vs. multikultureller Aspekte der Identitätskonstruktion in der österreichischen, schweizerischen, deutschen, finnischen und estnischen Presse. Dabei geht es nicht so sehr darum, was österreichische Identität ist, als vielmehr darum, wie diese Identität von der österreichischen Mainstream-Presse konstruiert wurde. Im Zentrum der Untersuchung stehen die Themenkomplexe • Geschichtsinterpretationen und Patriotismus, • Demokratische Kultur, • Neutralität sowie • Ausländerfeindlichkeit und Rassismus. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, wie die österreichische Presse jenem geistigen Klima Vorschub geleistet hat, welches es Haider ermöglichte, sich einer ursprünglich linken Systemkritik zu bedienen, um sie im Mix mit Fremdenhass und dem Appell an dumpfe Volksgemeinschaftsinstinkte in ein rechtspopulistisches Erfolgsrezept umzumünzen. Das Entstehen dieses Meinungsklimas ist vor allem auch dem Populismus der österreichischen Medien geschuldet, die über Jahrzehnte hinweg jegliche kritische Auseinandersetzung vermieden und im Wettbewerb um Auflagenzahlen stattdessen eine dumpfe Unzufriedenheit in der Bevölkerung bedient haben. In der Konstruktion nationaler Identität seitens der österreichischen Printmedien kommt eine symbiotische Entfremdung der Bevölkerung von ihrer Nation zum Ausdruck. Diese wird in der Vermeidung einer ernsthaften Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte ebenso erkennbar wie im Fehlen eines demokratischen Diskurses um aktuelle politische Streitfragen, in der Harmonisierung von Konflikten durch Wegschauen ebenso wie in verniedlichender Selbstgerechtigkeit, die mit wachsender Unzufriedenheit gepaart ist. Nicht zuletzt auch die - mit dem beginnenden Aufstieg der FPÖ zusammenfallende - Zunahme offen ausländerfeindlicher Tendenzen in der österreichischen Presse gegen Ende des Untersuchungszeitraums zeigt deutlich, wie der Populismus der österreichischen Medien diesen Aufstieg gefördert hat.