Zeitschrift der Gesellschaft für Musiktheorie (Jan 2016)

Von der Matrix zur Geste. Analytische Betrachtungen zu Karlheinz Stockhausens Klavierstück V

  • Majid Motavasseli

DOI
https://doi.org/10.31751/872
Journal volume & issue
Vol. 13, no. 1
pp. 53 – 87

Abstract

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Der Aufbau serieller Werke aus klar determinierten Strukturen einerseits und freien kompositorischen Entscheidungen andererseits erschwert nicht nur deren ästhetische Bewertung, sondern auch deren Analyse. Um ein Werk serieller Musik möglichst in seiner Ganzheit zu betrachten, sind rein quantitative Methoden auf der Basis von Skizzen, Matrizen usw. nicht ausreichend, sondern sie bedürfen einer Ergänzung durch qualitativ gewichtete Reflexionen der Hörwahrnehmung, nicht zuletzt da der Höreindruck solcher Musik tendenziell nicht allein aus ihrer Notation bzw. Konstruktion abzuleiten ist. Das betrifft auch das Klavierstück V (1954) von Karlheinz Stockhausen, das von Fassung zu Fassung eine Verwandlung erfahren hat: von einer genau den Skizzenmaterialien entsprechenden und daraus konstruierten, gerüstartigen Ausarbeitung hin zu einer stark klangorientierten, expressiv-gestischen Komposition. Aus diesem Grund beleuchtet dieser Beitrag das Klavierstück V auf verschiedenen analytischen Ebenen. Neben einer quantitativen Untersuchung der ersten Fassung basierend auf Skizzenmaterial und einer Auseinandersetzung mit der Druckfassung des Stücks hinsichtlich Klangqualität und Umsetzung des kompositorischen Gerüsts wird das Stück hier ausgehend von einer strukturellen Analyse auch unter dem Aspekt der Hörwahrnehmung betrachtet, mit dem Ziel die Kluft zwischen Text und Klang, wie sie Ulrich Mosch 2004 dargelegt hat, zu überwinden. The construction of serial works derived from both clearly defined structures and the composer’s deliberate decisions complicates both the process of their aesthetical assessment and their analysis. In order to examine a serial work as a whole, purely quantitative methods based on sketches, matrices etc. have proven insufficient and need to be complemented by qualitative reflections on auditory perception, not least since the auditory impression of such music may not be inferred solely from its notation or construction. This is also the case with Karlheinz Stockhausen’s Klavierstück V (1954). By way of going through multiple versions, the piece has been subject to a transformation from a narrowly sketch-based, highly determined compositional framework to a strongly sound-oriented, expressive, gesture-like composition. As a consequence, this article aims to throw light on Klavierstück V at different levels of analysis. It seeks to reconcile the gap between score and sound as described by Ulrich Mosch in 2004 and provides a structural analysis of the piece focused on the aspect of auditory perception, emerging from a quantitative analysis of the first version based on sketch material and an examination of the published version, which takes into account its sonoric qualities and the realisation of the conceptual framework.

Keywords