Jahrbuch Musikpsychologie (Jul 2022)
Weltliche Musik auf christlichen Bestattungen. Eine bundesweite, überkonfessionelle Erhebung unter Pfarrern und Kirchenmusikern
Abstract
Bei der Planung einer Bestattungsfeier geraten Pfarrer und Kirchenmusiker nicht selten in einen Konflikt zwischen den Anforderungen der liturgischen und kirchenmusikalischen Tradition und Musikwünschen der Hinterbliebenen aus dem ‚weltlichen‘, zumeist popularmusikalischen Bereich. Unter Mitwirkung der evangelischen Landeskirchen sowie katholischen Bistümern wurden in einer quantitativen Online-Studie deutschlandweit und überkonfessionell insgesamt 1.875 evangelische und katholische Pfarrer sowie Kirchenmusiker dazu befragt, welche Musik bei christlichen Bestattungsfeiern erklingt, welchen Stellenwert hierbei die weltliche Musik hat und wie diese Praxis von den beteiligten Pfarrern und Kirchenmusikern eingeschätzt und erlebt wird. Damit ist die vorliegende Studie die bislang umfassendste und größte Erhebung zur Thematik. Die Ergebnisse zeigen, dass im Mittel bei etwa einem Drittel der christlichen Bestattungen weltliche Musik erklingt. Die bei Trauerfeiern erklingende weltliche Musik stammt dabei zwar weit überwiegend aus populären Stilen, die konkrete Musikwahl ist jedoch von großer Individualität geprägt. Die insgesamt 3.562 Titelnennungen zeigen eine enorme Bandbreite, die nicht auf eine Hitliste reduziert werden kann. Von Seiten der Befragten aller Berufsgruppen und Konfessionen wird die weltliche Musik in diesem Kontext als Problemfeld wahrgenommen. Ins Spannungsfeld geraten dabei a) die weltlichen Musikwünsche der kirchenfernen Hinterbliebenen, b) die musikalisch-ästhetischen Ansprüche der Kirchenmusiker, die zwar das Abspielen von Tonträgern deutlich ablehnen, aber selbst popularmusikalisch oft nur wenig ausgebildet sind, sowie c) der grundlegende Anspruch der Pfarrer, dass ein christlicher Bestattungsgottesdienst sich zwar an den individuellen Wünschen der Hinterbliebenen orientieren muss, dabei aber im Rahmen des Verkündigungsauftrags die Inhalte des christlichen Glaubens nicht aus den Augen verlieren darf.
Keywords