Nordlit: Tidsskrift i litteratur og kultur (Nov 2019)

Macht, Manipulation und Miteinander—Medienräume des Gerüchts

  • Katharina Sturm

DOI
https://doi.org/10.7557/13.5019
Journal volume & issue
no. 42

Abstract

Read online

›Gerücht‹.—Ein Begriff, unter dem sich jeder etwas vorstellen kann und eine Form der Botschaft, die in geradezu unerhörter Weise zu affektieren vermag. Denn wer schätzt nicht eine gute Geschichte, besonders wenn sie vermeintliche Wahrheiten enthüllt, die einen Wissensvorteil, also einen zumindest winzigen Machtvorsprung erlauben? Geschichten sind Macht, wer Vergangenheit und Gegenwart in eine gute Erzählung zu verkleiden weiß, hält das Geschick der Menschheit in den Händen. Zugegebenermaßen ist dies eine kühne Behauptung. Stark vom Finale der achten Staffel Game of Thrones’ motiviert, macht die Verfasserin dieser Zeilen doch darin eine ganz simple Wahrheit aus: Menschen lieben Unterhaltung, ganz besonders, wenn es sich dabei um sie selbst dreht, wenn sie durch die Einbettung in eine Narration ein Stück Ewigkeit für sich beanspruchen können. Somit leitet dieses Essay auch eine an diesen Gedankengang geknüpfte Überlegung ein: Ist das Gerücht nicht zunächst einfach nur eine unterhaltsame Erzählung, in der wir uns selbst und unsere weltbewegenden Fragen erkennen? Über einen primär emotionalen Zugang soll versucht werden, zu verstehen, warum das Gerücht sich sowohl im Interessensspektrum der Psychoanalyse, als auch in dem der Politik wiederfindet. Wann wird die Geschichte zur Waffe; wann zum ›Monster‹, das sich von unseren Sehnsüchten und Ängsten nährt? Ist das Gerücht ein Medium ›potenziell monströser Machenschaften‹? Ist es ein Werkzeug, das ebenso gut im, wie gegen den Sinn der Demokratie eingesetzt werden kann? Oder ist es vielmehr so, dass jede Waffe letztlich beides ist—je nachdem, wer sie führt? Welche Rolle spielt dabei die gemeinsame Wahrheit als verbindender Faktor, gegen die scheinbare Unwissenheit der Ausgeschlossenen? Zu diesem Zweck soll sich im Folgenden die Betrachtung des Gerüchts aus dem Umkreis von Kunst und Literatur nach und nach ins Zentrum aktueller Mediennutzung vorarbeiten, wobei die emotionale Verbindung zum Rezipienten stets im Blick behalten werden soll. Sowohl Aufbau als auch Inhalt der Untersuchung wollen zeigen, wie sich diese besondere Form der Narrative zunächst auf einer rein ästhetischen, lustvollen Ebene erspüren, dann nach und nach als konkreter Gegenstand der Medienwahrnehmung fassen und schlussendlich bezüglich seiner öffentlichen Wirksamkeit kritisch hinterfragen lässt. Bewusst ist dabei der zeitliche Rahmen, innerhalb dessen das Phänomen betrachtet werden soll, weit gefasst. Es wird versucht, dort in die gegenwärtige Wahrnehmung des Gerüchts einzudringen, wo es sich als ›monströse Entität‹ für oder gegen die Demokratie bemerkbar macht.

Keywords