Raumforschung und Raumordnung (Nov 1986)

Unkonventioneller ÖPNV in ländlichen Räumen – Ergänzung oder Alternative?

  • G. Wolfgang Heinze

Journal volume & issue
Vol. 44, no. 6

Abstract

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Im Mittelpunkt steht eine realistische Einschätzung des ÖPNV im ländlichen Raum und seiner verbliebenen Entwicklungsspielräume. Das ÖPNV-Problem ist generell ein Nachfrageproblem. Bei freier Verkehrsmittelwahl ist die rückläufige Entwicklung der Nachfrage nach Leistungen im ÖPNV-Linienverkehr dünnbesiedelter ländlicher Räume ein normales Wettbewerbsergebnis. Aber: Ohne Werturteile bemühen zu müssen, läßt sich wissenschaftlich begründen, daß die Erhaltung und Förderung des ÖPNV gerade in einer automobilen Gesellschaft zweckmäßig ist. Dabei bilden die peripheren ländlichen Teilräume die besonderen Sorgenkinder der Verkehrspolitik. Aber gerade hier existieren noch erhebliche Gestaltungsspielräume. Dabei ist zu unterscheiden zwischen: (1) den „großen Lösungen von oben“, (2) den „kleinen Lösungen von unten“, (3) dem noch unausgeschöpften Reservoir von Maßnahmen relativ kostenneutraler Nachfragepflege im Linienverkehr und (4) angepaßten, bedarfsorientierten, flexiblen Lösungen. Im Vordergrund sollten in der Zukunft nicht so sehr jene kostspieligen Verbesserungen nach herkömmlichen (großstädtischen) Maßstäben stehen, sondern eher Versuche qualitativer Neuorientierung (in einer Umwelt, in der bezeichnenderweise die Nichtbenutzung eines Pkws zu begründen ist). Dazu gehört auch die stärkere Einbeziehung lokaler Faktoren, lernendes Experimentieren der Planer und die Einsicht, daß Verkehrsleistungen Begegnungen zwischen Menschen bilden. Heute sind die dünnbesiedelten ländlichen Räume die Ränder, wo das Netz reißt. Hier ist deshalb der Zeitpunkt für unkonventionelle Maßnahmen gekommen. Auch im dünnbesiedelten ländlichen Raum hat der ÖPNV mehr als eine Chance. Nur: Die ÖPNV-Zukunft dürfte ein heterogenes mehrstufiges Angebotsraster bringen. Gerade deshalb ist es so wichtig, unerwünschten Entwicklungen ins Auge zu sehen, Auffanglösungen vorzubereiten und sich von liebgewonnenen, aber überkommenen Konzepten zu trennen.