Medien & Kommunikationswissenschaft (Jun 2017)

Von Mediengattungen zu kontingenten Hybriden: Konstruktivistische und performativitätstheoretische Perspektiven für die Journalistik

  • Margreth Lünenborg

DOI
https://doi.org/10.5771/1615-634X-2017-2-367
Journal volume & issue
Vol. 65, no. 2
pp. 367 – 384

Abstract

Read online

Journalismus hat seine Autorität, gültige Aussagen über die Wirklichkeit zu machen, historisch durch die Herausbildung spezifischer Formen gewonnen. Doch diese Autorität ist brüchig geworden. Um diese Entwicklung nachzuzeichnen und aktuelle Wandlungsprozesse zu erklären, diskutiert der Aufsatz den Beitrag des Konstruktivismus für die Entwicklung einer Gattungstheorie in der Journalistik. Nach der Dominanz anwendungsorientierter Konzepte zur Identifikation von Textsorten offerierte die konstruktivistische Mediengattungstheorie ein kommunikatives Modell, mit dem Erwartungen an Medientexte auf Produktions- wie Rezeptionsseite reguliert, strukturiert und standardisiert werden. Den radikal-konstruktivistischen Debatten zeitlich vorgelagert wird dazu auf sozialkonstruktivistische Konzepte kommunikativer Gattungen zurückgegriffen. Die Annahme einer trennscharfen Unterscheidung faktischer und fiktionaler Gattungen und damit die eindeutige Referenzialität von Medienangeboten erscheinen dabei theoretisch wie empirisch problematisch. Hybridisierungsprozesse lassen den distinkten Kommunikationsmodus journalistischer Aussagen zurücktreten - aus institutionalisierten Formen werden kontingente Hybride. Als Weiterentwicklung konstruktivistisch gefasster Gattungen argumentiert der Beitrag für eine Analyse des Performativen. In diesem Verständnis werden durch Iteration und Re-Signifikation in Produktions- wie Rezeptionsprozessen Deutungsentwürfe gemeinsam situativ hervorgebracht - und dabei Formen als Konventionen fortlaufend modifiziert.