Medien & Kommunikationswissenschaft (Jun 2020)
Objektive Informationsquelle oder Mittel zur politischen Instrumentalisierung? Wie Landtagskorrespondenten die Bedeutung und Effekte der medialen Umfrageberichterstattung wahrnehmen
Abstract
Wahlumfragen sind mittlerweile zum festen Bestandteil der politischen Berichterstattung geworden, besonders zu Wahlkampfzeiten. Inhalts- und Rezeptionsstudien zeigen eine Zunahme der Berichterstattung über Wahlumfragen und eine zunehmende Rezeption von Meinungsumfragen durch Wähler. Dennoch gibt es kontroverse Debatten über die Effekte von Umfragen auf das Wahlverhalten, die mögliche Instrumentalisierung von Umfragen durch politische Akteure und den Umgang von Journalisten mit demoskopischen Daten. Bisher ist dieses Phänomen allerdings kaum auf der politischen Landesebene untersucht worden, obwohl Meinungsumfragen auch dort eine immer wichtigere Rolle spielen. Eine quantitative Online-Befragung von Landtagskorrespondenten (n=292) aller deutschen Landtage zeigt, dass ihre Wahrnehmung zur Umfrageberichterstattung ambivalent ausfällt: Einerseits werden Wahlumfragen als wichtiger und hilfreicher Bestandteil der politischen Berichterstattung bewertet, andererseits befürchten die Landtagskorrespondenten negative Effekte der Umfrageberichterstattung auf das Wahlverhalten sowie die mögliche Instrumentalisierung durch politische Akteure. Einen weiteren Widerspruch in der journalistischen Wahrnehmung offenbaren die Daten auch in Bezug auf die Offenlegung methodischer Informationen: So erachtet es zwar eine Mehrheit der befragten Journalisten als wichtig, die Fehlerspanne und damit die Unsicherheit in der Umfrageberichterstattung anzugeben, nach eigenen Angaben nennen diese Kenngröße dann aber nur sehr wenige Journalisten tatsächlich.