Zeitschrift für Praktische Philosophie (Jun 2020)

Diskriminierung und Verwerflichkeit

  • Michael Oliva Córdoba

DOI
https://doi.org/10.22613/zfpp/7.1.7
Journal volume & issue
Vol. 7, no. 1

Abstract

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Was ist Diskriminierung und warum ist Diskriminierung verwerflich, wenn sie es denn ist? Dies bleibt ungeachtet der seit fünfundzwanzig Jahren anschwellenden Forschungsliteratur unverändert eine harte Nuss. Larry Alexander, der selbst maßgeblich zu dieser Forschungsliteratur beigetragen hat, merkt daher selbstkritisch an: „All cases of discrimination, if wrongful, are wrongful either because of their quite contingent consequences or perhaps because they are breaches of promises or fiduciary duties.“ Wenn dies der Fall ist, stellt sich die Frage, wie moralisch verwerfliche Diskriminierung dann noch an sich verwerflich sein kann. Es stellt sich dann auch die Frage, wer hier ein Versprechen bricht und seine Treuepflichten verletzt. Die leitende Annahme dieses Aufsatzes ist es, dass man dem sachlichen Kern dieser Bedenken Rechnung tragen kann, indem man eine politische Perspektive auf das Phänomen der Diskriminierung einnimmt. Die Bedenken erweisen sich dann als substanziell und zutreffend. Konzeptualisieren wir den Bereich des Politischen mit Thomas Hobbes als das Spannungsfeld, das die private Sphäre des Individuums und die öffentliche Sphäre des Gemeinwesens gegeneinander abgrenzt, wird sichtbar, dass Diskriminierung in diesen Sphären jeweils unterschiedlich zu bewerten ist. Um dies zu verdeutlichen, lege ich Kasper Lippert-Rasmussens deskriptives Verständnis von Diskriminierung als „differential treatment on the basis of membership of a socially salient group“ zugrunde und mache von der in der Diskussion verbreiteten Ansicht Gebrauch, dass das Zufügen von Schaden oder die Verweigerung von Respekt Diskriminierung verwerflich macht. In der privaten Sphäre kann es nun Fälle moralisch zulässiger Diskriminierung geben. Zentral ist die sexuelle Diskriminierung aufgrund der Ausübung einer freien Wahl des eigenen Sexual- oder Liebespartners. Auch wenn sich der Abgewiesene womöglich geschädigt sieht, wird unbilliger Schaden nicht zugefügt und geschuldeter Respekt nicht verweigert. Den Grund finden wir in Alexanders Formel: Ein „breach of promises“ oder eine Verletzung „fiduciary duties“ liegt nicht vor. Anders im Fall staatlicher Diskriminierung: Ein „breach of promises“ oder eine Verletzung „fiduciary duties“ liegt hier stets vor, da Fälle staatlicher Diskriminierung regelmäßig Machtmissbrauch darstellen: Der Inhaber staatlicher Gewalt verletzt die Treuepflicht, das Mandat unparteilich auszuüben, das getreulich auszuführen er gelobt hat. Diskriminierung erscheint also weniger als ein Problem der angewandten Ethik denn als eines der politischen Philosophie.

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