Ciceroniana On Line (Jun 2022)

How to Get Away with Murder? Ciceros Pro A. Cluentio Habito als Kriminalfall mit erbrechtlichen Implikationen

  • Elena Köstner, EK

DOI
https://doi.org/10.13135/2532-5353/6868
Journal volume & issue
Vol. 6, no. 1

Abstract

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Im Jahre 66 v. Chr. übernahm Cicero die juristische Vertretung des Cluentius Habitus minor, der beschuldigt worden war, seinen Stiefvater Oppianicus maior ermordet zu haben. In dieser Studie geht es um Strategien der Kontingenzbewältigung und des Zukunftshandelns in Bezug auf Testamente und im Rahmen einer Verteidigungsstrategie vor Gericht, wobei Pro A. Cluentio Habito die Ausgangslage darstellt. Wenn Kontingenz als das Mögliche oder Alternative zur existenten Wirklichkeit verstanden werden kann, dann sind Strategien der Kontingenzbewältigung und des Zukunftshandelns als dasjenige Tun zu erachten, das vorwegnehmend einzelne Handlungen koordiniert, Handlungsoptionen reduziert und auf diese Weise zukünftiges Handeln erwartbarer macht. In diesem Sinne kann ein Testament als Plan des Erblassers*der Erblasserin für eine Zukunft ohne ihn*sie verstanden werden, d.h. er*sie trifft Vorkehrungen und Vorsorge für Familienangehörige und Freund*innen. Einem Gerichtsverfahren adäquat begegnen zu können, bedarf ebenso eines Plans im Sinne einer Strategie, um die Argumente der Anklage zu entkräften, die beschuldigte Person ins rechte Licht zu rücken und eine*n alternative*n Tatverdächtige*n zu präsentieren. Diese beiden eben skizzierten Ebenen sind in der Gerichtsrede untrennbar miteinander verwoben, stand doch mit dem erhobenen Vorwurf des Mordes an Oppianicus maior der Habitus der involvierten Personen besonders im Fokus. Cicero evoziert in verschiedenen Schriften, dass für ihn die voluntas testatoris unbedingt zu erfüllen sei, auch wenn diese nicht immer konform ging mit den Gesetzen. Ein derartiges, selbst auferlegtes Prinzip bot Orientierung und zeugte gleichzeitig von pietas gegenüber dem*der Erblasser*in.