Austrian Law Journal (Jul 2021)

Vordienstzeitenanrechnung in Österreich aus unionsrechtlicher Sicht

  • Posch, Denise

DOI
https://doi.org/10.25364/01.8:2021.1.6
Journal volume & issue
Vol. 8, no. 1
pp. 117 – 153

Abstract

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Das Thema der Vordienstzeitenanrechnung in Österreich ist ein schier endloses. Bereits rund 20 Vorabentscheidungsverfahren wurden durch österreichische Gerichte initiiert – immer wieder liefen nationale Regelungen in Gesetzen oder Kollektivverträgen hinsichtlich der Anrechnung von in vorangehenden Arbeitsverhältnissen erbrachten Dienstzeiten dem Unionsrecht zuwider. Die Aktualität des Themas ebbt durch neue Vorlagen und teils weitreichende Entscheidungen des EuGH nicht ab, neue Perspektiven führen zu weiteren Fragen. Der durch den vorliegenden Beitrag versuchte Blick auf die Urteile aus der Vogelperspektive zeigt deutlich, dass sich ein Dogmatikwandel in der Argumentation des EuGH anbahnt. Während in den frühen 2000er Jahren eine beschränkte Vordienstzeitenanrechnung primär auf das damit einhergehende Problem einer potentiellen Ungleichbehandlung aus Gründen des Alters überprüft wurde, wird in der aktuelleren Judikatur des EuGH schnell eine verbotene Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit gesehen, die nicht selten in hypothetischen Sachverhalten erkannt wird, die keinen grenzüberschreitenden Bezug aufweisen. Der Beitrag versucht daher, eine Gesamtschau der Urteile unter den Gesichtspunkten Altersdiskriminierung und Arbeitnehmerfreizügigkeit zu bieten. Besonders auf die Urteile Bowman, SALK, EurothermenResort Bad Schallerbach und Krah wird intensiver eingegangen, da sie eine Vielzahl von Fragen aufwerfen, die in der Literatur bisher nur fragmentarisch bzw aufgrund ihrer Aktualität noch gar nicht behandelt oder nicht in einen gemeinsamen Kontext eingebettet wurden. Als besonders interessant erweist sich die in der Rs Krah geäußerte und somit für die Mitgliedstaaten bindende Aussage des EuGH, dass gleichwertige Vordienstzeiten stets zur Gänze auf das bestehende Dienstverhältnis anzurechnen sind, wenn eine derartige Berücksichtigung von Vordienstzeiten vorgesehen ist. Dies könnte schon bald eine „Ganz oder gar nicht-Politik“ nach sich ziehen, die abermals neue Probleme aufwerfen würde.

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