thersites. Journal for Transcultural Presences & Diachronic Identities from Antiquity to Date (May 2015)
Wenn Medea aus der Rolle fällt. Formen der Rezeption in Guy Butlers Demea
Abstract
German Der vorliegende Beitrag problematisiert den vielschichtigen und oftmals in ganz unterschiedlicher Weise gebrauchten Begriff der Rezeption. Ausgangspunkt und Anschauungsobjekt der Überlegungen bildet das Drama Demea des südafrikanischen Schriftstellers Guy Butler, das in den 1950er Jahren entstand und das dezidiert auf die euripideische Medea Bezug nimmt. Vor dem Hintergrund der bestehenden theoretischen Modelle, die in ganz unterschiedlicher Weise das Phänomen der Rezeption, d.h. der „Aneignung“ eines anderen Textes oder Stoffes beschreiben (Iser, Genette), wird im vorliegenden Beitrag danach gefragt, ob und wie eine solche übergreifende „Theorie der Rezeption“ den verschiedenen Formen der Rezeption und deren Darstellungsmedium im Einzelfall gerecht werden kann. Die Rezeption des Medea-Mythos in Demea, wo die Handlung ins Südafrika des 19. Jahrhunderts verlagert ist, und die Rezeptionsgeschichte des Dramas selbst, das erst nach Ende der Apartheid in Südafrika uraufgeführt werden konnte, zeigen, dass „Rezeption“ auf ganz unterschiedlichen Ebenen stattfinden kann. Daher wird zum einen dafür argumentiert, dem „eigentheoretischen“ Wert des Einzelbeispiels im theoretischen Komplex der Rezeptionsstudien größere Bedeutung beizumessen, zum anderen werden mit den Begriffen der „Variation“ und der „Adaption“ Modifikationen des Rezeptionsbegriffs zur Diskussion gestellt, die diesen schärfen und auch auf andere mediale Formen der Rezeption (d.h. nicht allein Texte) bezogen werden können. English The paper discusses the concept of reception, which is often used in different respects and contexts. To illustrate this theoretical approach, I shall analyze a specific and complex example of the reception of classical drama and myth: Guy Butler’s drama Demea. The play, which implicitly and explicitly refers to Euripides’ tragedy Medea, takes place in 19th century South Africa. However, not only the reception of tragedy and myth but also the reception of the play itself shows that the act of reception can take place in different ways. For Demea could not be performed until the end of the Apartheid era in South Africa. With this in mind, I ask whether overall theoretical models seeking to describe the concept of reception in the wider sense of “appropriating a text or subject matter” are able to conceive an individual case like Butler’s Demea. Therefore, I propose to attach more importance to the individual theoretical relevance of every single example of reception. To modify the concept of reception, I finally introduce the terms of “variation” and “adaptation”, which allow to sharpen the concept of reception and can also refer to other (not only textual) forms of reception.
Keywords