Diacovensia (Jan 2015)

Was macht Europa zukunftsfähig? Spezielle Chancen und Aufgaben für Mitteleuropa

  • Helmut Renöckl

Journal volume & issue
Vol. 23, no. 2
pp. 147 – 168

Abstract

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Die Jahre 2014 und 2015 geben mehrfachen Anlass zum Nachdenken über Europa: Vor 100 Jahren begann der 1. Weltkrieg, vor 75 Jahren der 2. Weltkrieg, 2015 sind es 70 Jahre seit Ende des 2. Weltkriegs, das 20. Jahrhundert war ein Jahrhundert der Katastrophen mit verheerenden Konsequenzen für Europa. 1989/90, vor 25 Jahren, eröffnete sich mit dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ völlig unerwartet ein Kairos für eine Neugestaltung ganz Europas in Freiheit. Ein Kairos kann aber auch versäumt oder verpatzt werden. Es sind hintergründige Kräfte und Orientierungen auszumachen, die wesentlich die Entwicklung Europas und der Welt in den letzten Jahrhunderten bestimmten und auch für die Zukunftsfähigkeit Europas entscheidend sein dürften. Die spezielle Ausrichtung der europäischen Neuzeit, ihr „prometheisches“ Erforschen von Natur, Mensch und Gesellschaft, führte in der „Industriellen Revolution“ zu einer gigantischen Steigerung der wissenschaftlich-technisch-ökonomischen Effizienz. Es ist ethisch unbestreitbar, dass jedes menschliche Tun auf den Sinn und die Wirkungen dieses Tuns achten und dafür Verantwortung übernehmen muss. Wenn die wissenschaftlich-technisch-ökonomischen Effizienzsteigerungen nicht entsprechend auf die Menschenwürde der Betroffenen, auf Gerechtigkeit und Gemeinwohl achten, dann führt dies individuell und gesellschaftlich zu destruktiven Konsequenzen, zu Konflikten und Kriegen. Aus den Katastrophen hat man in Europa gelernt und mit dem neuen Gesellschafts- und Wirtschaftsmodell „Öko-soziale Marktwirtschaft in einem demokratischen Rechtsstaat“ den Wiederaufbau und relativ hohe Lebensqualität geschafft. In der „Globalisierung“ vollzieht sich derzeit eine globale „2. Industrielle Revolution“. Analog zur „1. Industriellen Revolution“ ergeben sich daraus große Herausforderungen und dramatische Risiken. Europa hat die längsten Erfahrungen mit hocheffizienter Wissenschaft, Technik und Wirtschaft, hier wurden mehr als anderswo positive und negative Erfahrungen gemacht. Wenn es – in Freiheit geeint – eine zukunftsfähige Kultur wissenschaftlich-technisch-ökonomischer Effizienz unter Beachtung der personalen Werte und des Gemeinwohls entwickelt, dann werden sich die Menschen damit identifizieren und dafür engagieren. Dann und nur dann kann Europa auch in der globalisierten Welt eine entsprechende Position einnehmen. Mitteleuropa hat dabei spezielle Chancen und Aufgaben.

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