Library Ideas (Dec 2023)

Völkisches Büchereiwesen : Zur Geschichte der Grenzbüchereiarbeit in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus

  • Karsten Schuldt

DOI
https://doi.org/10.18452/28267
Journal volume & issue
Vol. 44

Abstract

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Das Öffentliche Bibliothekswesen – vor den 1970er Jahren eher Büchereiwesen genannt – ist immer eingelassen in die zeitgenössischen Denkweisen und politischen Entwicklungen der Gesellschaft, im den es existiert. Gleichzeitig findet die Weiterentwicklung der Büchereiarbeit sowie der Infrastrukturen des Büchereiwesens statt, egal welche Ideologie jeweils aktuell vorherrschend sind. Der Artikel zeigt dies am Beispiel des Grenzbücherdienst e.V. auf, welcher in den 1920er bis 1940er Jahren in Deutschland eine bedeutende Rolle im damaligen Bibliothekswesen spielte, obwohl die Grundüberzeugungen, die der Verein vertrat, heute als rechtsextrem gelten können. Der Verein ging von einem völkischen Verständnis aus, nach dem die Welt in Völker eingeteilt wäre, die sich untereinander bekämpfen würden und sah es als seine Aufgabe darin, die «Erhaltung» des deutschen Volkes in den sogenannten «Grenzregionen» sicherzustellen. Für seine Arbeit konnte der Verein offenbar enorme Ressourcen mobilisieren. Er war mit den entstehenden staatlichen Infrastrukturen des Büchereiwesens, insbesondere den damals gegründeten Fachstellen, verbunden und war zudem eingelassen in die zeitgenössischen Diskurse des Büchereiwesens, insbesondere der Büchereipädagogik. Er nutzte nicht nur die gleichen Instrumente, wie sie auch von deutschen Büchereien genutzt wurden, die der Verein nicht erreichte. Vielmehr trieben einige Mitglieder des Vereins in ihren beruflichen Funktionen, beispielsweise als Fachstellenleitungen, die Entwicklung des Bücherwesens selber mit voran. Der Text schildert, nach einer notwendigen historischen Kontextualisierung, die vom Verein verbreiteten Diskurse und seine konkrete Arbeit, zuerst während der Weimarer Republik (1918-1933), dann während des Nationalsozialismus (1933-1945). Dabei wird sich zeigen, dass die Ideologie und konkrete Tätigkeit des Vereins ohne grössere Probleme auch in das nationalsozialistische Büchereiwesen integriert werden konnte. Am Ende stellt sich die Frage, was aus dieser Geschichte über das heutige Öffentliche Bibliothekswesen gelernt werden kann.

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