International Journal for Equity in Health (Oct 2020)

Limited access to family-based addiction prevention services for socio-economically deprived families in Switzerland: a grounded theory study

  • Andreas Pfister,
  • Nikola Koschmieder,
  • Sabrina Wyss

DOI
https://doi.org/10.1186/s12939-020-01305-1
Journal volume & issue
Vol. 19, no. 1
pp. 1 – 15

Abstract

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Abstract Ausgangslage Sozioöonomisch benachteiligte Familien, bereits mit sozialer und gesundheitlicher Ungleichheit konfrontiert, werden von Massnahmen familienbezogener Suchtprävention oftmals nicht erreicht. Neben quantitativen Modellen und Forschung zu Gesundheitskompetenz (Health Literacy) fehlt es an qualitativer Forschung, die Aufschluss über die genauen Umstände und Prozesse geben könnte, die zur erschwerten Inanspruchnahme von Angeboten durch diese Familien führen. Ausgehend vom “Concept of Candidacy” rekonstruierten wir deshalb, wie sozioökonomisch benachteiligte Eltern und ihre (prä-)adoleszenten Kinder in der Deutschschweiz ihre Kandidatur für familienbezogene Suchtprävention (nicht) identifizieren. Methoden In Anlehnung an die Grounded Theory erhoben und analysierten wir Daten iterativ-zyklisch mittels theoretischem Sampling und theoretischem Kodieren. Sechzehn Familien mit Kindern im Alter von 10–14 Jahren wurden mittels problemzentriertem Interview befragt (Elternteil/e und Kind getrennt). Alle bis auf eine Familie lebten unterhalb der Armutsgefährdungsschwelle. Ergebnisse Die Art und Weise, wie sozioökonomisch benachteiligte Familien Probleme im Alltag erkennen und bearbeiten, erwies sich als Kernphänomen, das den Prozess zur (Nicht-)Identifizierung als Kandidat/in für familienbezogene Suchtprävention strukturiert. Vier Modi, verankert in unterschiedlichen soziodemographischen Ressourcen, wurden gefunden. Familien mit Modus A empfanden ihre aktuelle Lebenssituation als existenzbedrohend und fokussierten daher die Alltagsbewältigung auf das drängende Hauptproblem. Andere Familien (Modus B) nahmen den mit multiplen Problemen belasteten Alltag (mittlerweile) als normal wahr. Probleme wurden normalisiert, oft nicht als solche erkannt. In Modus-C-Familien wurden Probleme niedrigschwellig pragmatisch erkannt und pragmatisch bearbeitet, meist innerhalb der Familie. In Modus-D-Familien wurden Probleme durch den besorgten und ängstlichen Zugriff der Eltern stetig hervorgebracht und früh bearbeitet. Von Modus D hin zu A erhöhte sich das Risiko, dass die Familien sich nicht als Kandidaten für familienbezogene Suchtprävention identifizierten. Darüber hinaus beeinflussten die thematische Relevanz von Suchtprävention, frühere Erfahrungen mit Angeboten, die Integration in Hilfesysteme, Strategien um die Familie zu schützen und die Suche der Familien nach Informationen oder Unterstützung, ob eine Identifizierung mit Angeboten zu Stande kam. Schlussfolgerungen Sozioökonomisch benachteiligte Familien verfügen über unterschiedliche Modi, Probleme im Alltag zu erkennen und zu bearbeiten; dadurch öffnen beziehungsweise schliessen sich unterschiedlich die Wege hin zu familienbezogener Suchtprävention. Health in All Policies und die suchtpräventive Praxis sollten deshalb unterschiedliche Strategien – insbesondere strukturelle und umwelbezogene Zugänge – anwenden, um diese Familien zu erreichen.

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