Medien & Kommunikationswissenschaft (Nov 2021)

Audience Gatekeeping in der Wirtschaftskommunikation: der Fall Greensill

  • Stefan Gürtler

DOI
https://doi.org/10.5771/1615-634X-2021-4-528
Journal volume & issue
Vol. 69, no. 4
pp. 528 – 550

Abstract

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Soziale Medien ermöglichen es ihrem Publikum, Informationen zu liken, zu kommentieren und zu teilen. Nutzerinnen und Nutzer werden so selbst zum Informations-Gatekeeper, der Aufmerksamkeiten im Netzwerk auf bestimmte Themen und Ereignisse lenkt. Solche „Audience Gatekeeping“-Vorgänge wurden bisher in der Politik, kaum aber in der Wirtschaft untersucht. Gelegenheit dazu bietet die Insolvenz des Lieferkettenfinanzierers Greensill Capital im Frühling 2021. Anders als es politische Untersuchungen nahelegen, führte Audience Gatekeeping bei diesem Wirtschaftsereignis nicht zu einer alternativen Themendarstellung, die von der journalistischen Berichterstattung abwich, sondern stärkte die bestehende Informationshierarchie mit wenigen internationalen Leitmedien, die das Thema strukturierten. Gemeinsam mit den politischen Untersuchungen ist jedoch der Befund, dass Suchmaschinen und deren hierarchische Informationsauflistungen das Audience Gatekeeping beeinflussen und dass sich aus der Aufmerksamkeitslenkung qua Verlinkung eine extreme Ungleichverteilung zugunsten einer Handvoll Titel ergibt: Von insgesamt 943 verlinkten Medien erhielten drei Medientitel ein Viertel aller Links, während die Hälfte aller Quellen nur einmal verlinkt wurde. Einer proportionalen Power-Law-Verteilung, wie sie in verschiedenen Studien zur Medienaufmerksamkeit festgestellt wurde, folgt dieses Verteilmuster jedoch nur in abgeschwächter Form.