Monitor Versorgungsforschung (Jun 2023)
Die Bedeutung fachlich-wissenschaftlicher Grundprinzipien und die Folgen ihrer Missachtung
Abstract
Die Stellungnahmen der Thesenpapier-Autorengruppe zwischen April 2020 und Juni 2022 umfassten drei Ebenen: die infektionsepidemiologische Situation als Basis, die modernen, multimodalen Präventionskonzepte als Handlungsoption und die gesellschaftliche Ebene als zwingend zu beachtenden Kontext. Zahlreiche andere Gruppen und Einzelpersonen haben vergleichbare Schwerpunkte gesetzt, aber insgesamt konnte die Rückabwicklung zentraler professioneller Standards in der Gesundheitsversorgung hinsichtlich des Infektionsmanagements genauso wenig verhindert werden wie der Einsatz inadäquater Präventionskonzepte und die gesellschaftliche Diskurseinengung, die Verhetzung von kritischen Meinungen und das Revival des „Durchregierens“. Die Folgen werden langsam in ihrem gesamten Umfang am Horizont sichtbar. Um ein besonders einprägsames Beispiel zu nennen: Bei aerogener Übertragung durch asymptomatische Träger ist die Ende April 2020 mit großer Emphase vorgetragene „Kontaktnachverfolgung“ mittels der „containment scouts“ nicht nur als tragischer Irrtum zu bezeichnen, der auch nicht durch den medial platzierten Anglizismus zu legitimieren war. Stattdessen stellt dies eine Missnutzung der kostbaren Arbeitskraft der Gesundheitsämter dar, deren eigentliche Kompetenz nicht im Abtelefonieren von möglichen Kontakten zu sehen ist, sondern z. B. in der Entwicklung von sicheren Umgangsformen bei der Betreuung von (sterbenden) Pflegeheimbewohnern, in der Unterstützung der Schulen mit dem Ziel, Schulschließungen zu vermeiden – alles, was eben möglich gewesen wäre, wenn man die Kenntnis der Ämter und Mitarbeiter über die regionalen und sozialen Gegebenheit vor Ort hätte nutzen wollen.
Keywords