MedienPädagogik: Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung (Feb 2023)

Teilhabe in der Kultur der Digitalität

  • Christine Kramer

DOI
https://doi.org/10.21240/mpaed/52/2023.02.11.X
Journal volume & issue
Vol. 52, no. gerecht - digital - nachhaltig

Abstract

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In seinem Buch «Kultur der Digitalität» wendet sich Felix Stalder gegen die Idee, das Internet und die damit verbundene Technologie hätten die Kultur der Gegenwart verändert. Dagegen arbeitet er heraus, dass es die kulturellen Entwicklungen selbst sind, die technologische Veränderungen hervorgebracht haben. Dabei interpretiert Stalder die Digitalisierung als Resultat medientheoretischer Veränderungen im Rahmen des Aufkommens der Massenmedien seit den 1960er-Jahren und verschränkt diese Überlegungen mit der Diagnose einer umfassenden Kulturalisierung in der Spätmoderne, die Parallelen zu Andreas Reckwitzʼ «Gesellschaft der Singularitäten» aufzeigt. Jene medialen und kulturellen Entwicklungen sind konstitutive Phänomene der Medienpädagogik in dem Sinne, dass Bildung und Erziehung sich stets an die neu entstandene Medientechnologie anpassen mussten. In diesem Beitrag wird die Kultur der Digitalität sowie die Medienpädagogik im Hinblick auf die These perspektiviert, dass es in der Kultur der Digitalität darum gehen muss, Kindern und Jugendlichen Kulturtechniken der Digitalität, unter anderem Referenzialität und Gemeinschaftlichkeit, zu vermitteln und Medienbildung in den Kontext dieser Kulturtechniken zu stellen. Die These fusst auf der grundsätzlichen Zustimmung zu Stalders Theorie der kulturellen Bedeutung der Digitalität in Abgrenzung zur rein technologischen Betrachtung des Digitalen. Die Hauptthese dieses Beitrags führt aus, dass eine kulturwissenschaftliche Perspektive auf das Phänomen der Digitalisierung – und nichts anderes meint Digitalität – ihre soziale und medienpädagogische Relevanz aus den von Stalder beschriebenen Kerncharakteristiken der Digitalität bezieht. Diese werden im Beitrag an den medienpädagogischen Diskurs zur Digitalisierung angeschlossen. Daraus ergeben sich aufschlussreiche Parallelen zwischen den notwendigen Fertigkeiten der Subjekte in der Kultur der Digitalität und dem informellen Lernen von Jugendlichen im Umgang etwa mit digitalen Medien. Die Formierung jener Lernformen nach den Charakteristiken der Kultur der Digitalität sowie der Gesellschaft der Singularität hat, so wird gezeigt, konkrete Folgen für die Teilhabechancen von Jugendlichen. Sind diese bereits in komplexe kulturelle und soziale Settings eingebunden, wird informelles Lernen und die daraus entstehende oder verfehlte Teilhabe insbesondere für Kinder und Jugendliche in Armutslagen zu einer Herausforderung, birgt aber auch Chancen. Der materialistische Armutsbegriff wird in der Debatte um die first, second und third digital divides aufgegriffen und es wird gezeigt, dass Armut in einer nach ökonomischen Gesichtspunkten organisierten Gesellschaft kulturelle Teilhabe erschwert. Das derzeit ambitionierteste Projekt in dieser Hinsicht, das Modell des «digitalen Habitus», wird hier vorgestellt und diskutiert. Allerdings sind eine interdisziplinäre Betrachtung der pädagogischen Forschung zur Bedeutung digitaler Medien für die jugendliche Entwicklung einerseits sowie die kulturwissenschaftliche Forschung zu den in der Kultur der Digitalität notwendigen Kulturtechniken der Referenzialität und Gemeinschaftlichkeit andererseits hilfreich für die Bewertung und sozialpädagogische Bearbeitung der Teilhabe von in Armutslagen lebenden Jugendlichen in der Kultur der Digitalität. Dann nämlich wird deutlich, dass es komplexe, integrierende und entwicklungsfördernde Kulturtechniken sind, die Teilhabe in der Kultur der Digitalität ermöglichen und dass medienpädagogische Angebote auf diese zentralen kulturellen Fertigkeiten abheben müssen, um diese zu erreichen.

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