Medien & Kommunikationswissenschaft (May 2019)

Der digitale Wandel der Wissensordnung. Theorierahmen für die Analyse von Wahrheit, Wissen und Rationalität in der öffentlichen Kommunikation

  • Christoph Neuberger,
  • Anne Bartsch,
  • Carsten Reinemann,
  • Romy Fröhlich,
  • Thomas Hanitzsch,
  • Johanna Schindler

DOI
https://doi.org/10.5771/1615-634X-2019-2-167
Journal volume & issue
Vol. 67, no. 2
pp. 167 – 186

Abstract

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Populäre Krisendiagnosen zur Verbreitung von Falschinformationen, zur Erosion einer gemeinsamen Wissensbasis und zur Infragestellung epistemischer Autoritäten haben in den letzten Jahren nicht nur Sorgen um die Wissensordnung in liberalen Demokratien ausgelöst, sondern auch zu erheblichen Forschungsaktivitäten in der Kommunikationswissenschaft geführt. Allerdings steht eine Integration der empirischen Befunde zu den zahlreichen Einzelaspekten in einen Theorierahmen noch aus. Der Zweck eines solchen Rahmens besteht darin, den digitalen Wandel der Genese, Prüfung, Distribution und Aneignung von Wissen in der medienöffentlichen Kommunikation systematisch zu beschreiben und zu erklären. Ausgehend von den Grundbegriffen Wahrheit, Wissen und Rationalität wird ein Modell der Wissensordnung entwickelt, das Phasen, Kontexte, Hierarchiestufen und Rollen unterscheidet. Das Internet tendiert zur Auflösung der bisherigen Wissensordnung, d. h. zu einem Kollaps der Kontexte, zur Nivellierung der epistemischen Hierarchie, zur Auflösung der Phasenfolge des Wissensprozesses, zum offenen Zugang zu bislang exklusiven Rollen und zur Entstehung von Hybridrollen. Es wird demonstriert, wie das Modell zur Aufarbeitung des Forschungsstands, zur Ableitung einer Forschungsagenda und für Gestaltungsempfehlungen eingesetzt werden kann.