Ars & Humanitas (Dec 2019)

Grenzwertig im Dazwischen. Liminalität als DenkRaum

  • Clemens Ruthner

DOI
https://doi.org/10.4312/ars.13.2.26-39
Journal volume & issue
Vol. 13, no. 2

Abstract

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Kafk as mysteriöses Wesen Odradek, dessen Name ebenso wenig festzumachen ist wie sein Aussehen oder Wohnort, ist der Paradefall einer ‘Existenz’(?), die “betwixt and between” ist: so lautet die berühmte Formel, die der schottisch-amerikanische Anthropologe Victor Turner (1920–1983) für sein Modell der Liminalität geprägt hat (2005, 95). Dabei handelt es sich ursprünglich um eine räumliche Denkfi gur: “Liminal” ist ein Zwischenraum zwischen zwei Zuständen, die sich auch als Gebiete im buchstäblichen oder übertragenen Sinn verstehen lassen – wobei im Zentrum dieses Vorstellungsraums ein Konzept der Grenze (des limen) steht, die diese nicht als körperlose Linie, sondern als Schwelle, ja als Puff erzone zwischen zwei Sphären sieht: ein Durchgangsbereich, in dem man innehalten, aber auch zwischen diskursiven oder realen Fronten gefangen sein kann. ‘Liminalität’ kann also auch als art of becoming verstanden werden (etwa bei einem Initiationsritus zwischen Kindheit und Erwachsenenalter), ja im übertragenen Sinn die Utopie des eingeschlossenen Dritten darstellen, die dazu dient, die Falltüren einer binären Entweder-Oder-Logik zu überbrücken; es kann aber auch der unbefriedigende Zustand eines Nicht-mehr-und-Noch-nicht in einem Niemandsland sein, der die sich Aufh altenden aus beiden an einander angrenzenden Räumen ausschließt – so wie etwa jene Passagiere, die aufgrund eines Visaproblems scheinbar endlos im Transitraum eines Flughafens fe stgehalten werden.

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