Memo (Dec 2018)
Die Ordnung der Reime. Zur Konmedialität von Schrift und Bild in ihrer ursprünglichen Setzung auf dem Klosterneuburger Ambo des Nikolaus von Verdun
Abstract
In der Widmungsinschrift des Klosterneuburger Emailwerks für den Ambo im Stift Klosterneuburg wird das typologische System, welches in vertikalen Bildgruppen je eine christologische Szene mit zwei alttestamentlichen Bildtypen verknüpft, mit dem Begriff des Reimens (consona) charakterisiert. Die in den narrativen Emails gefassten Begebnisse werden als „sacra consona“, sich reimende heilige Dinge bezeichnet, die „eingegraben“ sind (peraratum), womit selbstreferentiell wiederum auf die hier verwendete Technik des Grubenschmelzes verwiesen wird. Die typologischen Reimstrukturen der Bilder und die entsprechenden Bildstrategien waren bereits Gegenstand von ausführlichen Untersuchungen. Nicht berücksichtigt für diesen Zusammenhang wurde die ursprüngliche Anordnung der Widmungsinschrift auf den drei Tafeln der Amboverkleidung, die durch die Erweiterung des Goldschmiedewerks im 14. Jahrhundert ergänzt und völlig neu gesetzt wurde. Eine virtuelle Rekonstruktion hat ergeben, dass die Inschrift, deren leoninische Hexameter seit dem Umbau zum Altarretabel mit Umbrüchen innerhalb von Versen und sogar Wörtern über vier Zeilen in unregelmäßiger Form verlaufen, im ursprünglichen Zustand in sauber neben- und untereinander aufgeführten Versen gesetzt war. Auf den schmaleren Tafeln mit je vier Bildvertikalen nahm jede der vier Zeilen einen ganzen Vers auf, auf der breiteren, mittleren Tafel waren auf jede Zeile zwei Verse verteilt. Das hat nicht nur Konsequenzen für eine bessere Lesbarkeit und die Wahrnehmung des Textes als regelmäßige Versdichtung. Die Rekonstruktion macht deutlich, dass die Widmungsinschrift nicht etwa nur in inhaltlicher Hinsicht die typologische Ordnung der Bilder als Reimstruktur klassifiziert, sondern selbst an der ordnenden Reimstruktur des ganzen Werks beteiligt ist. Die zusammengehörigen Reime stehen zwar notwendigerweise horizontal zueinander, die versübergreifenden Reimwörter stehen jedoch in vertikalen Achsen. Mehr noch: Die Reimwörter selbst sind, wie der Beitrag zeigen wird, in vielen Fällen Schlüsselbegriffe für den Aufbau und die Semantik des Werkes. Zudem wird im Beitrag (auch auf der Grundlage der virtuellen Rekonstruktion) nach konkreten inhaltlichen Verknüpfungen im Layout von Bildern und Widmungsinschrift gefragt. +++ The article focuses on cross references between the pictorial and scriptural systems of the Klosterneuburg enamel work by Nicolaus of Verdun. The way in which the dedicational inscription characterizes the typological program of its images is termed „rhyming“ (consona). In the inscription, the pictorial narratives of the Old and New Testament are described as sacra consona that are carved, or „trenched“ (peraratum), thus referring to the enamel technique of the Champlevé. Former research on the typological program of the enamelwork that ornamented the ambo in the church of the monastery Klosterneuburg has neglected the original layout of the dedication. A virtual reconstruction rendered by the author, however, shows that originally the verses were positioned in absolute order: each of the four inscription lines on the panels concluded with the last word of a verse. The two smaller panels thus contained four verses, the middle panel eight verses. In 1331 the enamelwork was inserted into a wooden triptych with foldable wings. The enamel work of the middle panel had to be enlarged, making it in turn necessary to alter the layout of the inscription. Since then, the verses cover the inscription line without cohesion between the space of the panel’s lines and the order of the verses. Verses, even words had to be cut to be divided between the end of one panel and the beginning of the next line on another panel. Not only were the verses much easier to read in the original layout, but the whole rhyming structure participated in the typological „rhyming“ system of the images. Additionally, the reconstructed layout reveals that the rhyming word pairs are very often key words to the whole work’s semantics, including cross references not only to the images but also to further inscriptions such as the image tituli. In this work, pictorial and scriptural systems are not designed to fulfill different and distinct tasks; instead, they form a hybrid medium in which meaning and impact results from linked pictorial and scriptural processes. To better describe these processes the author proposes the terminus „Konmedialität“ (conmediality) instead of „Intermedialität“ (intermediality).
Keywords