Geographica Helvetica ()

Zur nacheiszeitlichen Gletschergeschichte des Liefdefjords (Spitzbergen) (Ergebnisse der Geowissenschaftlichen Spitzbergenexpedition 1990)

  • G. Furrer,
  • A. Stapfer,
  • U. Glaser

DOI
https://doi.org/10.5194/gh-46-147-1991
Journal volume & issue
Vol. 46, no. 4
pp. 147 – 155

Abstract

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Der Liefdefjord in Nordwestspitzbergen (79 ½°N)war 1990 – und 1991 nochmals – das Arbeitsgebiet der internationalen, interdisziplinären Spitzbergenexpedition SPE '90. Schwerpunkte der Forschungsarbeiten sind nacheiszeitliche und aktuelle geomorphologische und geoökologische Prozesse in diesem vom Menschen noch fast völlig unberührten Raum. Das Expeditionsgebiet besitzt zahlreiche Kar- und einzelne Talgletscher sowie ein stark differenziertes, «alpin» anmutendes Relief. Mit unserem Teilprojekt «Gletscherentwicklung und Moränendatierung» wird versucht, einen Beitrag zur noch wenig bekannten Gletschergeschichte Spitzbergenszuleisten: – Viele Gletscher – so der Monacobreen – münden heute direkt ins Meer oder enden nahe der Küste. Die Gletschervorfelder sind in der Regel durch einen markanten Wallmoränenkomplex (Moränenwall) umschlossen. Das Moränenmaterial im gletschernahen Bereich wurde von Vorstößen der Neuzeit (ab 16. Jahrhundert) abgelagert. – Im Liefdefjorden und Bockfjorden konnten aber durch Grabungen an der Außenseite der Moränenwälle mehrere, von Gletschern überfahrene, fossileorganische Bodenhorizonte (fAh) gefunden werden. Deren Radiokarbondatierungen lassen auf Gletschervorstöße im frühen und späten Älteren Subatlantikum (2800 – 1000 yBP) und im frühen und mittleren Jüngeren Subatlantikum (ab 1000 yBP) schließen. – Mächtigkeit und Polleninhalt der datierten fossilen Boden- und Torfbildungen deuten daraufhin, daß die Vegetation zur Zeit der organischen Sedimentation ähnlich wie heute in Küstennähe entwickelt war. Die klimatischen Bedingungen dürften während der früheren Torf-/Bodenbildungsphasen zumindest nicht ungünstiger gewesen sein als heute. Diese Resultate führen zur Schlußfolgerung, daß die heutigen Gletschervorfelder von Moränenwällen umschlossen sind, die aus Material von verschiedenen Gletschervorstößen zusammengesetzt sind, und daß die maximale Ausdehnung der Gletscherhochstände in den letzten 2800 Jahren (vermutlich im ganzen Holozän) stets etwa dieselbe war. Diese Charakteristika treffen auch für die nacheiszeitliche Gletschergeschichte der Alpen zu. – Im Untersuchungsgebiet konnten keine Hinweise auf ältere postglaziale und spätglaziale Gletschervorstöße gefunden werden. Vorallem die Frage nach dem Gletscherverhalten während der Jüngeren Dryas (11000–10200 yBP) bleibt offen. Aufgrund unserer Beobachtungen muß man vermuten, daß allfällige Gletschervorstöße während dieser Zeit die Maximalstände des Subatlantikums nicht übertroffen haben. –Spätestens zu Beginn des Alleröds (11800–11000 yBP) war der Liefdefjord mindestens soweit eisfrei wie heute.