Schweizerische Zeitschrift für Bildungswissenschaften (Jun 2003)
Herkunft, Leistung und Bildungschancen im gegliederten Bildungssystem: Vertiefte PISA-Analyse unter Einbezug der kognitiven Grundfähigkeiten
Abstract
Seit dem Vorliegen der für die Schweiz ernüchternden PISA-Ergebnisse wird die Frage nach der Gerechtigkeit unserer Bildungssysteme wieder verstärkt diskutiert. Im vorliegenden Beitrag werden Aspekte der Chancengleichheit unter Berücksichtigung allgemeiner kognitiver Grundfähigkeiten detailliert untersucht. Neben dem Einfluss individueller Herkunftsmerkmale wird auch der Beitrag der Schule zur Erklärung fachlicher Leistungsunterschiede herangezogen. In die Analysen wurden die Daten von 2‘054 Schülerinnen und Schülern der Kantone Bern und St. Gallen einbezogen, bei denen zusätzlich zu den PISA-Tests die kognitiven Grundfähigkeiten erfasst wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass fachliche Leistungen auch unter Kontrolle der kognitiven Grundfähigkeiten stark von der sozialen Herkunft mitbestimmt werden. Eine entscheidende Rolle kommt dabei der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Schultyp zu. Diese wird offensichtlich nicht nur durch fachliche Leistungen, sondern in hohem Ausmass über die soziale Herkunft der Schülerinnen und Schüler bestimmt. Überdies werden die schulischen Lernmöglichkeiten durch die soziokulturelle Zusammensetzung der einzelnen Schule beeinflusst. Diese Schuleffekte fallen unter Berücksichtigung der individuellen Voraussetzungen und des Schultyps jedoch deutlich geringer aus als die im internationalen PISA-Bericht (OECD, 2001) dargestellten Brutto-Effekte.