Global Media Journal: German Edition (Feb 2021)

(Post-)Koloniale Erinnerungen in der Presse: Der Völkermord in Deutsch-Südwestafrika in deutschen und namibischen Zeitungen

  • Christina Haritos

DOI
https://doi.org/10.22032/dbt.47744
Journal volume & issue
Vol. 10, no. 2

Abstract

Read online

Der Völkermord in der Kolonie Deutsch-Südwestafrika stellt bislang gültiges kulturelles Wissen über die deutsche und die namibische Vergangenheit in Frage – was vor allem in den aktu-ellen Debatten um Kolonialdenkmäler und Straßennamen in beiden Ländern zum Ausdruck kommt. Eingerahmt durch die erste deutsche Entschuldigung 2004 und die Klage der betroffenen Gruppen 2017 untersucht diese Arbeit die Produktion des Völkermordes im deutschen und namibischen kul-turellen Gedächtnis durch journalistische Berichterstattung. Dabei soll beantwortet werden, anhand welcher diskursiven Regeln Journalismus den Völkermord in der verwobenen Erinnerungskultur beider Länder konstruiert. Mit einer kategoriengeleiteten qualitativen Inhaltsanalyse werden 142 Ar-tikel in deutschen und namibischen Zeitungen analysiert. Die Ergebnisse zeigen, dass Journalismus dieses Thema weiterhin oft als historisches oder exotisches Interessensthema konstruiert. Dabei wer-den häufig koloniale Wissenshorizonte und Vorstellungen transportiert, selbst wenn Kolonialismus fast ausnahmslos kritisch betrachtet wird. Die eigene Identität wird dabei durch Kontrast zum ab-normalen Völkermord gestärkt und so das Ereignis von der kollektiven Selbstkonstruktion ausge-klammert. Gleichzeitig wird eine transnationale Verstrickung des Diskurses in der prominenten Sprecherschaft von deutschsprachigen Wissenschaftler*innen sichtbar, die den Erinnerungsdiskurs maßgeblich prägen.

Keywords