sui-generis (Aug 2018)

Darf der Beschuldigte im Strafverfahren lügen?

  • Marc Thommen

DOI
https://doi.org/10.21257/sg.76

Abstract

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Obwohl im Strafverfahren das Schweigen des Beschuldigten de facto als Zustimmung zur Anklage gedeutet wird, tut man sich nach wie vor schwer, ein Recht zur Lüge zu akzeptieren. Die Wahrheit sagen muss er nicht, lügen darf er nicht? Damit hängt der Beschuldigte merkwürdig im luftleeren Raum. Ein ausdrückliches Lügerecht besteht nicht und ein solches lässt sich auch nicht aus dem Nemo-tenetur-Grundsatz ableiten. Es ergibt sich vielmehr aus seinem Anspruch auf rechtliches Gehör und aus seiner Meinungsäusserungsfreiheit. Das Recht sich im Verfahren zu äussern ist nicht auf wahre Aussagen beschränkt. Der Beschuldigte hat somit das Recht im Strafverfahren zu lügen.