MedienPädagogik: Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung (Dec 2024)

Eine Sache des Glücks

  • Sabrina Schenk

DOI
https://doi.org/10.21240/mpaed/64/2024.12.15.X
Journal volume & issue
Vol. 64, no. Medien*Kritik

Abstract

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Die Geschichte der Diskussionen über das für die moderne Erziehungswissenschaft konstitutive Problem der Normativität zu schreiben, steht noch aus. Das seit einigen Jahren innerhalb der Allgemeinen Erziehungswissenschaft und nun auch in der Medienpädagogik wiederaufgelebte Interesse an der Frage nach der ‹Normativität› wird im vorliegenden Beitrag deshalb in drei Schritten aufgenommen: Rationalistisch gesprochen lässt sich sein Entstehen der Entdeckung der Kontingenz im Verlauf des 18. Jhd. zuordnen, das onto-teleologische Ordnungsvorstellungen brüchig werden liess und dem Zeitalter der Moderne damit gleichzeitig Freiheitsgewinne wie Orientierungsverluste überlassen hat. Es schien noch bis ins 20. Jhd. hinein zunächst, als liesse sich Freiheit in Form von Gestaltungsfreiheit maximieren und Orientierung in Form von Fortschrittsoptimismus im Vertrauen vor allem auf die Leistungskraft der technisch-naturwissenschaftlichen Disziplinen herstellen. Unterschiedliche pädagogische Richtungen sahen ihren Beitrag zur Rationalisierung von Bildung und Erziehung in der doppelten Aufgabe, die implizit leitenden praktischen Normen aufzuklären und sie für die Begründung bzw. Orientierung von praktischem pädagogischem Handeln intelligibel zu machen (1). Im Einklang mit den etablierten Studien zur Wissenschaftstheorie und zuletzt dem Begriff der ‹Erkenntnispolitik› lässt sich dabei verdeutlichen, dass implizit leitende Normen (als ‹Normativität› im eigentlichen Sinne) aus der wissenschaftlichen Tätigkeit kaum sinnvoll wegzudenken sind. Demgegenüber scheint der Wille zur ‹Normierung›, wie er sich insbesondere in einem handlungstheoretischen Verständnis von Erziehungswissenschaft findet, mit unlösbaren Problemstellungen behaftet (2). Mit Bezug auf eine Studie von Wolfgang Wieland werden drei dieser Aporien systematisch rekonstruiert, die aus dem Problemzusammenhang der praktischen Vernunft stammen, der der praktischen Philosophie zugeordnet ist: die Applikationsaporie, die Motivationsaporie und die Institutionenaporie. Historisch befindet sich die praktische Philosophie selbst in einer aporetischen Situation, weil sie, ihrem rationalen Begründungsanspruch nach, die im 19. Jhd. verlorengegangene Einheit von praktischen und theoretischen Wissenschaften wiederherstellen müsste, um sich nicht in Dezisionismus oder Individualethiken aufzulösen (3). Nach diesem Durchgang zeigt sich, dass es neben dem rationalistischen Erbe des ‹Normativitätsproblems› offenbar noch eine ungelöste metaphysische Erblast gibt: die Frage nach dem ‹Glück› und dem ‹guten Leben›, das die Wissenschaften einst zu beantworten angetreten waren (4).

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