Informationspraxis (Nov 2015)
Ist die Bibliothek ein Dritter Ort? Ein Seminarbericht
Abstract
Das Schlagwort „Dritter Raum” beziehungsweise „Dritter Ort” hat sich in den letzten Jahren im Bibliothekswesen etabliert. Es beschreibt strategische Entscheidungen von Bibliotheken, sich als Kommunikationsort und gesellschaftlichen Raum zu entwerfen. In einem Seminar an der HTW Chur wurde das Schlagwort einer kritischen Prüfung unterzogen (1). Zuerst wurden die Herkunft und heutige Nutzung des Schlagworts überprüft (2). Dabei zeigten sich relevante Differenzen sowohl zwischen der Originalliteratur, die im US-amerikanischen Rahmen der 80er und 90er Jahre angesiedelt ist und der heutigen bibliothekarischen Verwendung, als auch zwischen Bibliotheken, die das Schlagwort nutzen. In einem weiteren Schritt überprüften Studierende in verschiedenen neu- oder umgebauten schweizerischen Bibliotheken forschend die These vom „Dritten Ort” (3). Die Arbeiten der Studierenden zeigten vor allem Bibliotheken, die infrastrukturell „Dritte Orte” sein wollen, aber von den Nutzerinnen und Nutzern nicht als solche akzeptiert werden. Der Text stellt die im Seminar geleistete Arbeit dar und schliesst (4) mit offenen Fragen, die sich aus den festgestellten Differenzen zwischen bibliothekarischem Diskurs, Realität in den Bibliotheken und Zielen der Originalliteratur ergeben. The term "Third Place" has become popular in librarianship in recent years. It describes strategic decisions made by libraries in order to turn themselves into places of communication and social interaction. In a seminar at HTW Chur, the term was critically discussed. (1) The origin and current use of the term “third place” were examined. (2) Some relevant differences were considered between its use in the original literature which is situated within the US context of the 80s and 90s, and today's library use, as well as between libraries that use the term; following this discussion, students examined the thesis of the "third place" in the context of various new or rebuilt Swiss libraries. (3) The research carried out by the students in particular libraries showed that they want to be "third places", but are not accepted as such by their users. This article presents the proceedings and outcomes of the seminar and concludes (4) with open questions that arise from the identified differences between the discourse of librarians, the reality in the libraries, and the intentions of the original literature.