Zeitschrift für Praktische Philosophie (Dec 2023)

Ideale polyamoröse Verpflichtung

  • Raja Rosenhagen

DOI
https://doi.org/10.22613/zfpp/10.2.9
Journal volume & issue
Vol. 10, no. 2

Abstract

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Wer denkt, Polyamorie erfordere ein geringeres Maß an Verpflichtung als Zweierbeziehungen, der liegt gründlich daneben. Wie aber gestaltet sich polyamoröse wechselseitige Verpflichtung idealerweise? In diesem Beitrag untersuche ich, ob sich ein bestimmtes, auf Iris Murdochs Konzeption von Liebe als gerechter Aufmerksamkeit beruhendes Ideal wechselseitiger Verpflichtung in romantischen Partnerschaften fruchtbar auf polyamoröse Beziehungsgeflechte anwenden lässt. Ich beginne damit, Murdochs im deutschsprachigen Raum kaum rezipierte Liebeskonzeption ausführlich darzustellen und diese dabei von Simone Weils Position abzugrenzen, der Murdoch wesentliche Elemente entnimmt. In einem zweiten Schritt skizziere ich das von Murdochs Position inspirierte Ideal wechselseitiger Verpflichtung. In Auseinandersetzung mit Überlegungen, die John Enman-Beech und Julienne Obadia mit Blick auf die in polyamorösen Beziehungsgeflechten verbreitete Praxis angestellt haben, Beziehungsvereinbarungen einzugehen, werbe ich drittens für die skizzierte Idealkonzeption, indem ich zeige, dass sich mit ihr den von Enman-Beech und Obadia aufgeworfenen Herausforderungen, die sich im Zuge intrapolykularer Beziehungsvereinbarungen stellen, in zwei Hinsichten mit Erfolg begegnen lässt. Erstens hebe ich hervor, dass eine am skizzierten Ideal orientierte Praxis bereits die Art von prozeduralen Normen implementiert, auf deren Bedeutung Enman-Beech zu Recht hinweist. Zweitens argumentiere ich dafür, dass das skizzierte Ideal nicht den Schwierigkeiten ausgesetzt ist, die sich nach Obadia mit denjenigen Elementen intrapolykularer Beziehungsvereinbarungen verbinden, die sie als Vertragskomplex bezeichnet, und ein weniger pessimistisches Bild davon nahelegt, wie vermittelst solcher Beziehungsvereinbarungen konstituierte Individuen aufzufassen sind.

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