Studies in Communication, Media (Mar 2022)

„War das noch Amok, oder ist das schon Terror?“ Mechanismen und Hindernisse der journalistischen Berichterstattung über (terroristische) Gewaltereignisse

  • Sina-Felicitas Wende,
  • Markus Schäfer

DOI
https://doi.org/10.5771/2192-4007-2021-4-447
Journal volume & issue
Vol. 10, no. 4
pp. 447 – 501

Abstract

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Deutschland ist in den letzten Jahren mehrfach Ziel terroristischer Akte geworden. Gerade bei Gewaltereignissen mit vielen Opfern und Todesfällen, wie etwa dem Anschlag am Berliner Breitscheidplatz, ist das Medieninteresse hoch-worauf die Handlungen von Terroristen wiederum explizit abzielen. Die genauen Hintergründe und Einflussfaktoren der Medienberichterstattung über (terroristische) Gewaltereignisse sind in Deutschland bislang kaum beleuchtet. Dies gilt nicht zuletzt für die Frage, wann weshalb welche Begriffe für Gewaltereignisse verwendet werden. Der vorliegende Beitrag geht den Mechanismen der Berichterstattung über (terroristische) Gewaltereignisse a) mit Hilfe einer Analyse von Tweets journalistischer Medien und der Polizei zum Münchner Gewaltereignis 2016 sowie b) von neun leitfadengestützten Expert:inneninterviews mit Journalist:innen und Kommunikationsverantwortlichen von Polizeibehörden, die in den letzten Jahren beruflich mit (terroristischen) Gewaltereignissen in Berührung gekommen sind, auf den Grund. Die Ergebnisse zeigen, dass die Berichterstattung über diese Gewaltereignisse für Journalist:innen eine mitunter belastende Ausnahmesituation darstellt. Ihrem Berufsverständnis nach müssen sie berichten und aufklären-allerdings liegen ihnen in der konkreten Situation oftmals kaum belastbare Informationen vor. Die Quellenlage ist unsicher, auch die Aussagen der Polizei sind in diesen hochdynamischen Lagen von Momentaufnahmen des Einsatzgeschehens geprägt. Das konkrete Wording von Gewaltereignissen wird in den Redaktionen reflektiert und durchaus kontrovers diskutiert. Gleichzeitig führt die Attraktivität des Labels „Terror“ für die Berichterstattung auf Seiten journalistischer Medien mitunter zu ethisch fragwürdigen Auswüchsen.