Linguistische Treffen in Wrocław (Feb 2020)

Auch das Beschimpfen ist eine Art, miteinander zu reden

  • Witold Sadziński

DOI
https://doi.org/10.23817/lingtreff.16-12
Journal volume & issue
Vol. 2019 (II), no. 16
pp. 161 – 176

Abstract

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Emotionen sind aus dem menschlichen Leben, und demzufolge auch aus der Sprachhandlung nicht wegzudenken. Andererseits aber werden sie durch die Kultur – nicht zuletzt durch die gute Kinderstube – unter Druck gesetzt, sodass man höflichkeitshalber nicht immer direkt zum Ausdruck bringt, was einem am Herzen liegt. Goethe brachte es in Faust II wie folgt auf den Punkt: „Im Deutschen lügt man, wenn man höflich ist“ (vgl. auch Szczęk 2012). Manchmal ist man jedoch halt genötigt, der Emotion freien Lauf zu lassen. Dies wird im Beitrag an Günter Grass’ Hundejahre bzw. Peter Handkes Publikumsbeschimpfung exemplifiziert. Zum anderen fokussiert der Beitrag auf einen wichtigen Aspekt des Unterbewusst-Emotiven, nämlich die verbale Aggression als Ersatzmittel der Tätlichkeit. Der Verfasser schließt sich Meinunger (2017: 11 f.) an, wo es heißt: „Schimpfen ist […] viel besser als sein Ruf. […] Es ist seinem Wesen nach eine Ersatzhandlung für körperliche Gewalt. […] muss als ein Sieg der Kultur über die Natur gewertet werden.“ Gleichzeitig wird ihm widersprochen, wenn er ebenfalls Hassrede unter Schimpfen subsumiert. Emotions are an indispensable part of human life, and consequently of speech. On the other hand, they are put under pressure by the culture – not least by the good nursery – so that, politely, one does not always express directly what is important to one‘s heart. Goethe summed it up in Faust II as follows: “In German you lie when you are polite” (see also Szczęk 2012). Sometimes, however, one is forced to let the emotion run wild. This is exemplified in the article on Günter Grass’ Hundejahre and Peter Handke’s Publikumsbeschimpfung. On the other hand, the article focuses on an important aspect of the subconscious emotive, namely verbal aggression as a substitute for assault. The author joins Meinunger (2017: 11 f.), where he says: “Ranting is much better than his reputation. […] It is essentially a substitute for physical violence. […] must be seen as a victory of culture over nature.” At the same time he is contradicted when he also summarizes hate speech under ranting.

Keywords