Linguistische Treffen in Wrocław (Jan 2024)

Was Historiker ohne Sprachgeschichtler (wohl) kaum leisten können. Eine interdisziplinäre epigraphisch-sprachgeschichtliche Fallstudie

  • Marek Biszczanik

DOI
https://doi.org/10.23817/lingtreff.24-1
Journal volume & issue
Vol. 24
pp. 17 – 33

Abstract

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Im historischen Niederschlesien sind zahlreiche deutschsprachige Grabsteine von Vertretern uralter Adelsfamilien erhalten geblieben. Viele von ihnen sind im erbärmlichen Zustand, so dass es sich zurzeit wahrscheinlich die letzte elegenheit eröffnet, deren Inhalte vor endgültiger Zerstörung für künftige Generationen zu bewahren. Viele von ihnen wurden zwar von Historikern analysiert, aber Ergebnisse jener Analysen sind oft sprachlich, übersetzerisch und epigraphisch dermaßen fehlerhaft, dass sie kaum akzeptierbar sind. Ein Historiker, der kein Sprachhistoriker ist und dem es schließlich an grundlegender Kompetenz in Erforschung des frühneuzeitlichen Deutsch mangelt, der Sprache, in der die meisten von erhaltenen Epitaphinschriften der Frühen Neuzeit verfasst wurden, hat natürlich wenig Chancen auf eine korrekte Sprachinterpretation und eine erfolgreiche Übersetzung eines in Altdeutsch verfassten Textes ins Polnische. Eine der Epitaphien, die bisher wissenschaftlich dermaßen vernachlässigt wurde, ist die schöne Tafel des Adam von Kottwitz (1720), die sich in Konotop bei Zielona Góra befindet. Der Autor des Beitrags hat es sich zur Aufgabe gestellt, den gesamten (verbalen und nonverbalen) Inhalt des Denkmals zu untersuchen. Die Analyse beginnt mit der Feststellung der korrekten Zugehörigkeit der Wappensymbole zu Inschriften des Stammbaums des Verstorbenen; nota bene ist die Zugehörigkeit zurzeit weitgehend falsch. Bald geht der Autor zur detaillierten Erörterung bestimmter sprachlicher Ebenen der auf der Platte erscheinenden Inschriftentexte über. So erörtert er die in den Inschriften verwendeten Schrifttypen, Groß- und Kleinschreibung, Zeichensetzung und im Korpustext verwendete Abkürzungen sowie die Phraseologie, vor allem aber die rein sprachliche, ja strikte grammatische Ebene, d. h. morphologische Formen und syntaktische Bedingungen, die die Korpustexte charakterisieren. Viel Raum wird den Graphemen gewidmet, deren Untersuchung jedoch nicht ein Ziel für sich selbst ist, sondern freilich dazu dient, Beziehungen zwischen Graphemen der Schriftsprache und Phonemen des Gesprochenen, die zur Zeit der Entstehung des Denkmals womöglich in Gebrauch waren, zu erhellen.

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