Raumforschung und Raumordnung (Sep 2019)
„Hägerstrand online“: Ein methodisches Konzept zur Analyse raumzeitlicher Trajektorien in Kollaborationen
Abstract
In der Wirtschaftsgeographie stieg in den letzten Jahren das Interesse an Fragen der Temporalität, wobei sowohl kurz- als auch längerfristige physische Interaktionskonstellationen in den Fokus rückten. Trotz der starken empirischen wie theoretischen Ausdifferenzierung physischer Kopräsenzen wurden zwei Aspekte bisher kaum ausreichend problematisiert: erstens das dichotome Verständnis physischer Kopräsenz (das sich auf die binäre Differenzierung von Abwesenheit und Anwesenheit reduziert) und zweitens die Konzeption virtueller Kopräsenz als eine defizitäre Version von Kommunikation (der das breite Spektrum sinnlicher Dimensionen von Face-to-face-Interaktionen fehlt). Zur Problematisierung dieser Aspekte von Kopräsenz reichern wir unsere geographische Argumentation mit Befunden aus benachbarten Disziplinen an und fokussieren die durch die Virtualisierung implizierten Veränderungen der Kommunikationskontexte. Hierbei stellen insbesondere die komplexen Verflechtungen von Offline- und Online-Interaktionen die etablierten geographischen Zugänge vor methodische und konzeptionelle Herausforderungen. Zur Bewältigung dieser Herausforderungen wird eine Erweiterung des zeitgeographischen Modells von Torsten Hägerstrand um eine virtuelle Dimension vorgeschlagen. Ziel unserer Erweiterung ist es, raumzeitliche Beschränkungen kollaborativer Prozesse sowohl in physischen als auch in virtuellen Kontexten sowie in (physisch-virtuellen) synthetischen Situationen empirisch erfassbar und vergleichbar zu machen. Unsere methodisch-konzeptionelle Erweiterung der Zeitgeographie illustrieren wir mit empirischen Vignetten kollaborativer Prozesse aus den Feldern Kunst (Musikproduktion im Studio) und Wissenschaft (Pharmaforschung im Labor).
Keywords