Zeitschrift für Praktische Philosophie (Jul 2024)

Republikanismus: Politisch, Juridisch und Ethisch

  • Günter Zöller

DOI
https://doi.org/10.22613/zfpp/11.1.11
Journal volume & issue
Vol. 11, no. 1

Abstract

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In Umkehrung einer These des frühen Carl Schmitt, der zufolgedie grundlegenden politischen Begriffe ursprünglich theologische Begriffe sind, vertrittder Beitrag die profunde politische Prägung der ethischen Grundbegriffe im Allgemeinenund derjenigen der Kantischen Ethik im Besonderen. Es ist die These des Beitrags, dass die fundamentalen Konzepte von Kants moralphilosophischen Hauptschriften(Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, 1785; Kritik der praktischen Vernunft,1788; Die Metaphysik der Sitten, 1797) ursprünglich rechtlich-politische Begriffe sind, die von ihm mutatis mutandis in die Sphäre der Ethik übertragen werden. Dabei werden aus den für intersubjektive Sozialverhältnisse konzipierten Grundbegriffendes Rechtlich-Politischen – allen voran Freiheit, Gesetz, Gesetzgebung, Herrschaftund Zwang – ethische Grundbegriffe für intrasubjektive Selbstverhältnisse. Der Beitrag rekonstruiert den Republikanismus von Kants politischem, rechtlichem und ethischem Denken in historischer Perspektive und in systematischer Absicht. Imeinzelnen interpretiert der Beitrag Kants kritische Ethik als nach innen gewendetes Gegenstück zu dem von ihm in seinen rechtlich-politischen Druckschriften der zweitenHälfte der 1790er Jahre (Zum ewigen Frieden, 1795; Metaphysische Anfangsgründeder Rechtslehre, 1797) vertretenen Republikanismus, dessen Grundzüge bereits in der einzigen erhaltenen Nachschrift von Kants Naturrechtsvorlesung, die aus dem Jahr 1784 stammt (Naturrecht Feyerabend), enthalten sind. Die drei Abschnitte des Beitrags behandeln den politischen Republikanismus nach und vor Kant, den juridischen Republikanismus bei Kant und den ethischen Republikanismus bei Kant. Im Zentrum des ersten Abschnitts steht die Differenz zwischen dem historischen (römischen und neorömischen) Republikanismus und dem rezenten (abstrakten und analytischen) Republikanismus. Der zweite Abschnitt verfolgt die Verrechtlichung des ursprünglich politischen Republikanismus in der Frühmoderne im Allgemeinen und bei Kant im Besonderen. Der dritte Abschnitt ist zentriert um die republikanisch inspirierte Doppelkonzeption der ethischen Selbstgesetzgebung („Autonomie“) und der ethischen Selbstherrschaft („Autokratie“) bei Kant.

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