Zeitschrift der Gesellschaft für Musiktheorie (Jan 2005)

Riemann-Rezeption und Reformpädagogik. Der Musiktheoretiker Johannes Schreyer

  • Felix Diergarten

DOI
https://doi.org/10.31751/466
Journal volume & issue
Vol. 1–2, no. 2/1
pp. 163 – 170

Abstract

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Im Sommer des Jahres 1903 erschien in Dresden die Harmonielehre von Johannes Schreyer. Sie gehörte zu den meistgelesenen Harmonielehren ihrer Zeit. Ein zeitgenössischer Kritiker bezeichnete sie sogar als »das Beste, was wir auf dem Gebiet der Harmonielehre besitzen«. Schreyers Harmonielehre stellt einen der ersten Versuche dar, die Riemannsche Harmonie- und Phrasierungslehre zu einem praktischen Lehrgang umzuformen. Sie ist in ihrem Aufbau und ihrer Didaktik durch die ›Reformpädagogik‹ geprägt und wurde als eine der in theoretischer und didaktischer Hinsicht fortschrittlichsten Harmonielehren ihrer Zeit begrüßt. Unter Analyse versteht Schreyer in erster Linie das Anfertigen reduktionistischer Harmonieskizzen. Die zahlreichen Musikbeispiele aus der Literatur von Palestrina bis Reger werden mit Riemannschem Klangschlüssel und Funktionszeichen beziffert. Der Begriff von ›Funktion‹, den Schreyer dabei entwickelt, zeigt sich in erstaunlicher Nähe zum Begriff der ›Stufe‹, den Heinrich Schenker wenige Jahre später prägen sollte. Das Werk Schreyers ist jedoch nicht nur ein eindrucksvolles Zeugnis früher Riemann-Rezeption; es zeigt sich an der Harmonielehre Schreyers darüber hinaus, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Form Lebensphilosophie und Kulturkritik immensen Einfluß auf die deutsche Musiktheorie und den gesamten deutschen Musikbetrieb gewinnen konnten.

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